Das Wort hört sich ein wenig abgehoben an, nach ernst dreinblickenden Damen und Herren in feinen Kleidern, die angeregt über dieses oder jene neue Werk debattieren: “Literaturkreis”. Heutzutage heißt er eher “Lesekreis” oder “Buchclub”; ihre Pforten stehen Menschen aus allen Generationen, Orten und gesellschaftlichen Schichten offen. Derzeit steigt das Interesse an Literaturkreisen – was sich insbesondere in den vergangenen Monaten gezeigt hat.
Die Gründe dafür sind vielfältig: So entdecken seit Beginn der Coronakrise immer mehr Menschen das Lesen für sich. Gleichzeitig drängt es sie – wahrscheinlich aufgrund der eingeschränkten sozialen Kontakte – mehr zum Austausch mit Gleichgesinnten. Und wer könnte besser für einen solchen Austausch geeignet sein als jemand, der das gleiche Genre, die gleichen Autor:innen oder gar dasselbe Buch gerne mag? Auch die Bandbreite an Buchclubs und ihre zunehmende Spezialisierung begünstigt das steigende Interesse: So gibt es Lesekreise für verschiedene Genres wie Krimis, Science-Fiction und Fantasy, aber auch für Neurologie, für asiatische Literatur, für Jane-Austen-Werke und für Fans von französischen Autor:innen.
Darüber hinaus ist die Digitalisierung des Buchclubs ein wichtiger Aspekt: Das gängige Modell – lesen, sich treffen, über Bücher reden – verlagert sich nach und nach ins Internet. Das ermöglicht es einem, sich vom Sofa aus mit Buchliebhaber:innen auf der ganzen Welt zu vernetzen.
Wer nun selbst Teil eines digitalen Literaturkreises werden will, kann sich auf verschiedenen Plattformen umschauen: Die bekanntesten Plattformen dafür sind LovelyBooks, MeetUp, Instagram und Facebook. Die große Stärke von LovelyBooks ist die Vielzahl an besprochenen Titeln. Allerdings funktioniert die Plattform eher wie ein Bewertungsportal, bei dem jeder und jede einfach eine Art Rezension abgibt und weniger auf die Meinungen anderer eingeht geschweige denn mit anderen diskutiert. Bei MeetUp muss man sich erst einmal genauer mit dem Angebot auseinandersetzen – viele Buchclubs sind auch auf Englisch. Auch hat die Suchfunktion ihre Grenzen: Einen Überblick über in Deutschland gegründete Clubs gibt es hier, doch bei einer Suche nach dem Stichwort “Buchclub” im Radius der eigenen Stadt zeigt das System teilweise auch andere Gruppen und Veranstaltungen an. Hier lohnt es, einfach mal die verschiedenen großen Städte Deutschlands mit einem entsprechend großen Radius einzugeben, um spannende Lesekreise zu finden.
Manche Buchclubs haben eine eigene Webseite und lassen sich so gut durch eine Google-Suche aufspüren: Beispiele dafür sind der Buchclub Kultur Vivante, der sich für den deutsch-französischen Austausch einsetzt, oder der Münsteraner Lesekreis “Fantastic Books and where to read them” für Fantasy- und Science-Fiction-Fans.
Wer keinen passenden Buchclub findet, sich lieber mit Bekannten und Freunden als mit fremden Menschen austauscht oder Lust hat, selbst aktiv zu werden, kann auch einen eigenen Buchclub gründen. Extra für diesen Zweck bieten verschiedene Verlage Zusatzmaterialien für die Lesenden an, darunter der dtv Verlag, der Carl Hanser Verlag oder der Diogenes Verlag. Und egal, für welche Variante Sie sich letztlich entscheiden: Spaß macht der Austausch mit Gleichgesinnten auf alle Fälle!