Kompaktkurs Fantasy-Lektorat oder warum man Schwerter nicht auf dem Rücken trägt

Der Kompaktkurs Fantasy-Lektorat des Verbands der Freien Lektorinnen und Lektoren (VFLL) verspricht Spezialwissen für die Arbeit an Fantasy-Manuskripten. Als Dozentin mit von der Partie: Elke. In dem fünfwöchigen Kurs, der dieses Jahr im Herbst zum ersten Mal stattfand, übernahm sie die Veranstaltungen zu den Themen Definition der Fantasy und ihrer vielfältigen Subgenres, Standardwerke sowie Bausteine und Merkmale des Genres.

Fantasy

Wer gern Fantasy liest, weiß: Die Inhalte haben selten viel mit unserem realen Alltag zu tun. Die Welten sind häufig ans europäische Mittelalter angelehnt, man bewegt sich zu Pferd fort und es werden epische Schlachten geschlagen, bei denen es um nicht weniger als die Rettung der Welt gehen kann. Klingt nerdig? Ist es auch!

Der Vollständigkeit halber sollten wir an dieser Stelle unsere Definition des leider häufig negativ konnotierten Begriffs „Nerd” klarstellen. Ein Nerd ist eine Person mit einem besonderem Interesse, dem er oder sie einen Großteil seiner oder ihrer Zeit, Aufmerksamkeit und Ressourcen widmet. Dazu gehört auch, in der einschlägigen (Fantasy-) Literatur auf Fehlersuche zu gehen und wehe den Autor:innen, die es mit der Logik oder dem, was gemeinhin unter historischem Kanon verstanden wird, nicht zu genau genommen haben. Hier kommen die Fantasy-Lektor:innen ins Spiel, die potenzielle Fehlerquellen bereits im Manuskriptstadium entdecken und darauf hinweisen.

 

In der Fantasy ist (fast) alles erlaubt

Das Schöne an der Fantasy und gleichzeitig ihre größte Herausforderung für Autor:innen und Lektor:innen ist, dass grundsätzlich alles möglich und erlaubt ist. Es muss nur kohärent und logisch sein (und sollte im Idealfall nicht zu sehr von den Genrekonventionen abweichen).

Aber welche Auswirkungen kann ein phantastisches Element wie Magie auf eine Gesellschaft haben? Wenn Kommunikation über weite Entfernungen oder das Heben schwerer Lasten mittels Magie erfolgt, gibt es dann überhaupt technologischen Fortschritt? Und was passiert, wenn eine Gesellschaft mit Magie, aber ohne Technik auf eine Gesellschaft trifft, die zwar nicht über Magie verfügt, dafür aber beispielsweise über Schusswaffen?

Was sind die häufigsten Motive in der Fantasy und welche Tropes sollte man vermeiden? Oder, um eine ganz aktuelle Debatte anlässlich der neuen TV-Serie „Ringe der Macht” zu nennen: Dürfen Elben schwarz sein? (Spoiler: Es spricht nichts dagegen!)

 

Die Frage aller Fragen: Geht das überhaupt?

Die Fantasy erfordert nicht nur die Auseinandersetzung mit theoretischen Fragen, die sich aus der Erfindung fiktiver Welten ergeben. Bereits der richtige Einsatz durchaus realer Mittel wie Pferde und Kutschen als Fortbewegungsmittel oder Schwerter und Bögen für die Verteidigung hält genug Stolpersteine bereit.

Pferde sind keine Autos. Sie müssen essen, trinken und sich ausruhen. Einen ganzen oder sogar mehrere Tage lang mit dem gleichen Pferd durchgaloppieren, schaffen weder das Pferd noch der Reiter. Einen Zweihänder (großes, langes, schweres Schwert, wie zum Beispiel das von Geralt in der Serienadaption von „The Witcher”) auf dem Rücken zu tragen, mag für weite Strecken zu Fuß bequemer sein, als eine Schwertscheide an der Hüfte – ziehen kann der Held oder die Heldin die Waffe so aber nicht.

 

Sie interessieren sich für Fantasy?

Sie sind Lektor:in und möchten sich auch mit diesen Fragen beschäftigen? Behalten Sie das Fortbildungsangebot des VFLL im Auge, eine Fortsetzung des Formats ist nach aktuellem Stand für 2023 geplant.

Sie sind Fantasy-Autor:in und wünschen sich Unterstützung bei der Umsetzung Ihrer phantastischen Geschichte? Schicken Sie Elke eine E-Mail an elke@textkonfekt.de.

 

Und wie wurde Elke nun Dozentin für Fantasy?

Als im Sommer 2021 der Aufruf des VFLL-Fortbildungsteams zum Brainstorming ins Postfach flatterte, konnte Elke als begeisterte Fantasy-Leserin und -Autorin natürlich nicht widerstehen. Nach den ersten Treffen war klar: Da wollte sie dabei sein. Mit einem Auftrag rechnete sie nicht ernsthaft (Impostor-Syndrom lässt grüßen) – es gibt schließlich noch so viele andere qualifizierte Kolleg:innen. Umso größer die Freude, als im Frühjahr 2022 doch eine Anfrage vom Fortbildungsteam kam. Schnell standen die groben Inhalte und das Datum fest: Von 7. Oktober bis 11. November sollte es so weit sein.

Die Liste der Co-Dozent:innen war ebenso beeindruckend wie einschüchternd: Verlegerin Sandra Thoms, Literaturagent Carsten Polzin, Fiction- und Non-Fiction-Autorin Sylvia Englert (alias Katja Brandis) auf der einen, die renommierten Lektoratskolleginnen Hanka Leo, Nora-Marie Borrusch und Lisa Reim-Benke auf der anderen Seite. Leichte Verzweiflung bei Elke, so ganz ohne Promotion, eigenen Verlag, eigene Agentur, namhafte Verlagskunden oder lektorierte Bestseller.

Die erste Amtshandlung war eine ordentliche Bestellung Fachliteratur, die Elke über den gesamten Sommer begleitete. Dadurch, und dank der ersten Kontakte zu den zukünftigen Co-Dozent:innen, dämmerte ihr langsam, was den anderen Beteiligten längst klar gewesen war: 20 Jahre Erfahrung mit (High-) Fantasy-Literatur, davon drei als Autorin, hatten durchaus zu einer erwähnenswerten Fachkenntnis geführt. (Nimm das, Impostor-Syndrom!)

In der Zwischenzeit ging der Kurs-Trailer online und es trudelten die ersten Anmeldungen ein. Kurz vor der Stornofrist Anfang September war klar, das Fantasy-Seminar würde nicht nur stattfinden, sondern sogar ausgebucht sein. Plötzlich war der Kurs nicht mehr nur ein diffuser Termin irgendwann Ende des Jahres, sondern ein ganz konkretes Projekt mit echter (naher!) Deadline und brachte den ein oder anderen Anfall von Nervosität mit sich.

Zu diesem Zeitpunkt kamen die ersten Rückmeldungen von Kolleg:innen, die sich für den Kurs angemeldet hatten und mit Elke einen bekannten Namen in der Dozentenliste entdeckt hatten, sei es aus dem Netzwerk Belletristik des VFLL, dem Texttreff oder einfach LinkedIn. Die Fantasy-Bubble ist erstaunlich klein und familiär.

Schließlich wollte das gesammelte Wissen noch ansehnlich und verständlich aufbereitet werden. Das Gebastel an PowerPoint-Präsentationen, Handouts und Sprechtexten nahm weitere sechs Wochen in Anspruch, und dann war der große Tage auch schon da: Am 7. Oktober startete der Tag mit einer streikenden Fritzbox, die sich glücklicherweise pünktlich für Elkes Einführung ins Thema Fantasy wieder beruhigte.

Der ganze Fantasy-Kurs in einem Satz? Es lief.

Ganz hervorragend sogar.

Und zwar nicht nur die Technik. Das Interesse, der Arbeitseifer und der Input der teilnehmenden Kolleg:innen war, in einem Wort, phänomenal.

Das schöne an Weiterbildungen unter Freiberufler:innen ist, dass alle freiwillig teilnehmen und wirklich etwas lernen wollen. Und, was noch viel wichtiger ist, alle Teilnehmer:innen bringen bereits Erfahrungen und Vorwissen aus den verschiedensten Bereichen mit. Auf diese Weise hält eine Veranstaltung auch für die Dozent:in viele neue Impulse für ihre Arbeit bereit.

Wir bedanken uns beim Fortbildungsteam des VFLL für die großartige Organisation und bei allen Teilnehmer:innen und Co-Dozent:innen für das Möglichmachen dieser wunderbaren Veranstaltung! Vielleicht sehen wir im neuen Jahr sogar das ein oder andere bekannte Gesicht auf einer Messe – wir freuen uns schon!

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