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Lokalisierung (Teil 1) – unverzichtbar für Unternehmen mit mehrsprachigen Zielgruppen

Auf den ersten Blick erscheint eine maschinelle Übersetzung als die einfachste und beste Lösung, um etwa englischsprachige Webseiten ins Deutsche zu übersetzen. Doch das täuscht: Denn dabei entstehen oft Fehler und Ungenauigkeiten, die die Webseite weniger attraktiv für ihre Besucher:innen machen. Als Übersetzerin erhält Elke immer wieder Anfragen von englischsprachigen Unternehmen, die sich auch eine deutsche Version ihrer Webseite wünschen. Dabei zeigt sich immer wieder, was menschliche Übersetzung – und Lokalisierung – im Gegensatz zur maschinellen Lösung leisten. Etwa bei einem britischen Personalvermittlungsunternehmen: Auf der Startseite wählen Besucher:innen aus, ob sie sich auf Jobsuche befinden (Zielgruppe: „Bewerber“), selbst Personal suchen (Zielgruppe: „Kund:in“) oder einfach nur mehr über das Unternehmen erfahren möchten.

 

Gleiches Wort, andere Bedeutung

Im englischen Original unterscheidet das Unternehmen auf seiner Seite zwischen „Candidate“ und „Client“. Die   maschinelle Übersetzung macht daraus „Kandidat“ und „Klient“ – Doch der Ausdruck „Kandidat:in“ nimmt im Deutschen die Perspektive der Personalvermittlung oder des Unternehmens ein, bei dem man sich beworben hat. In dem Moment, in dem sich jemand die Website einer Personalvermittlung ansieht, hat er sich aber noch gar nicht beworben. Und selbst dann sieht er sich selbst vermutlich eher als Bewerber:in denn als Kandidat:in.

Eine maschinell übersetzte Website würde in diesem Fall also bereits bei der ersten (und wichtigsten) Aufgabe einer Website scheitern: Kund:innen die für sie relevanten Informationen einfach und klar zugänglich zu machen.

Unser Team aus zwei menschlichen Übersetzerinnen hat sich zusammen mit dem Kunden schließlich darauf geeinigt, die jeweiligen Unterseiten mit „Auf Jobsuche“ und „Auf Personalsuche“ benennen. Weit weg vom Ausgangstext, aber deutlich konkreter in der Bedeutung und vor allem viel benutzerfreundlicher.

 

Noch ein Beispiel für Lokalisierung:

Das gleiche Unternehmen wirbt auf seiner englischen Website mit sogenannten „Contracts“, die vermittelten Personen werden als „Contractors“ bezeichnet. Die standardmäßige Übersetzung für „Contractors“ wäre „Auftragnehmer:in“. Das passte allerdings nicht immer in den Kontext: Aus dem Briefing wussten wir, dass das Unternehmen ausschließlich feste Anstellungen vermittelt.

In diesem Fall wäre „Auftragnehmer:in“ definitiv die falsche Übersetzung gewesen, denn dabei handelt es sich in aller Regel um Dienstleister:innen. Wir hatten auch „Zeitarbeit“ als mögliche Lösung diskutiert, aber auf Rückfrage stellte sich heraus, dass die „Contractors“ beim jeweiligen Unternehmen fest angestellt werden – nur eben befristet.

Und so wurden aus den „Contractors“ und „Contracts“ die „befristeten Stellen“. Etwas weniger schick, aber dafür absolut klar in der Kommunikation. Das war in dieser Situation besonders wichtig, da sowohl der Einsatz von Freiberufler:innen für eigentlich feste Stellen (Achtung, Scheinselbstständigkeit!) als auch Zeitarbeit in Deutschland keinen besonderen Ruf genießen.

 

Die größten Stolperfallen bei maschineller Übersetzung:

 

1. Englische Begriffe, die es im Deutschen nicht gibt

Bei britischen Stellenausschreibungen wird gern auf IR-35 hingewiesen. Personalvermittlungen machen sogar Werbung damit, eigene IR-35-Spezialist:innen im Haus zu haben. Wer wörtlich übersetzt, macht aus den „IR-35 specialists“ die „IR-35-Spezialist:innen“ – deutsche Leser:innen bleiben im Dunkeln.

In solchen Fällen muss recherchiert und gegebenenfalls erklärt werden. IR-35 ist ein Teil der britischen Steuergesetzgebung und soll dafür sorgen, dass freiberufliche Mitarbeiter:innen, die unter vergleichbaren Bedingungen wie Angestellte arbeiten, auch die gleichen Einkommenssteuer- und Krankenkassenbeiträge bezahlen. Im Prinzip ganz ähnlich wie die Gesetze gegen Scheinselbstständigkeit in Deutschland, relevant aber nur für diejenigen, die beabsichtigen, im Vereinigten Königreich zu arbeiten.

Manchmal gibt es aber auch einzelne Begriffe in der Zielsprache, für die es gleich mehrere Übersetzungsmöglichkeiten mit völlig verschiedenen Kriterien gibt:

 

2. Ein Wort auf Englisch, drei Bedeutungen auf Deutsch

Das englische Wort „lease agreement“ kann auf Deutsch „Mietvertrag“, „Pachtvertrag“ oder „Leasing-Vertrag“ bedeuten. Aus dem Kontext, zum Beispiel einem Unternehmenskaufvertrag, wird nicht immer ersichtlich, um welche Vertragsart es sich im jeweiligen Fall handelt.

Eine KI kennt diesen Unterschied nicht. Sie wählt entweder den ersten passenden Eintrag im Wörterbuch ihrer Wahl oder die statistisch wahrscheinlichste Übersetzung, basierend auf dem zur bereits vorhandenen Ausgangsmaterial.

Die Unterschiede zwischen den Vertragsarten sind allerdings fundamental, sodass eine falsche Übersetzung gravierende Folgen haben kann. Im schlimmsten Fall werden Verfahren aufgrund eines solchen Formfehlers eingestellt oder es können eigentlich bestehende Ansprüche wegen einer fehlerhaften Formulierung nicht durchgesetzt werden.

Ausgebildete Fachübersetzer:innen klären in diesem Fall also ab, um welchen Vertrag es sich handelt. Alternativ können alle drei möglichen, deutschen Übersetzungen genannt oder eine Fußnote zur Erklärung genutzt werden.

 

3.  Erfahrung, kulturelle Kenntnisse und kreatives Denken – ausschließlich menschliche Fähigkeiten

Gute Lokalisierung beruht im Wesentlichen auf der Erfahrung mit der Zielkultur, die wir nur erfahren können, wenn wir dort aufwachsen oder sehr lange dort leben. Beides kann maschinelle Übersetzung nicht leisten, von dem erforderlichen „Thinking out of the box“ einmal ganz abgesehen.

Die inhaltliche Anpassung von Texten an die Zielgruppe bzw. Zielkultur wird bis auf Weiteres den menschlichen (und gut ausgebildeten) Fachübersetzer:innen vorbehalten bleiben. Denn durch die wörtliche oder fast wörtliche Übersetzung geht meist mehr Sinn verloren als erhalten bleibt. Die sogenannte Wirkungsäquivalenz, also die gleiche Wirkung auf das fremdsprachliche Publikum wie auf das originalsprachliche, ist eine ausschließlich menschliche Kompetenz.

 

Für alle, die sich genauer mit dem Thema Lokalisierung bzw. Transkreation beschäftigen möchten, gibt es demnächst Teil II unserer Reihe über Lokalisierung: Lokalisierung II – stilistische Feinheiten.

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